Kalibrierung an der Tira4

Alle, die mit Messtechnik zu tun haben, kennen die etwas flapsige – aber sehr eingängige – Aussage: „Wer viel misst, misst Mist!“. Gemeint ist damit: Man kann viel messen. Die Werte sind aber nur dann zu gebrauchen, wenn man sie validieren kann. So mag man sich im Alltag beispielsweise wundern, wenn die Waage daheim große Abweichungen zu der beim Arzt anzeigt oder der Fahrradtacho viele hundert Meter vom GPS-Gerät abweicht. Oft spielt der Spruch auch auf unsere Tendenz an, in unserer modernen Welt immer mehr Daten zu generieren, ohne uns um die Auswertung Gedanken zu machen. Um valide Daten zu erlangen, mit denen im Anschluss weitergearbeitet werden soll, lohnt sich für industrielle Messgeräte entsprechend eine regelmäßige Kalibrierung.

Dem Endverbraucher kommt es dabei nicht auf die höchste Genauigkeit an. Bei Industrieanwendungen kann aber genau diese den entscheidenden Unterschied zwischen Ausschuss und Top-Qualität machen, daher die Kalibrierung der Messgeräte. Sie dient dazu, die Messmittel mit dem nationalen Normal abzustimmen, kurz: zu prüfen, ob die Werte stimmen. 

Rückführbarkeit auf das nationale Normal

Das Stichwort ist hier also die Rückführbarkeit auf das nationale Normal. Zu wissen, dass das jeweilige Messgerät das Richtige misst, kann für vielerlei Anwendungen von großer Bedeutung sein. So fordert beispielsweise die ISO 9000, die Abweichungen der verwendeten Prüfmittel zu überwachen. Mit einer aktuellen Kalibrierung ist das Bestehen des Audits kein Problem. Eine Wiederholung des Audits, ein Produktionsstillstand oder gar ein Rückruf sind abgewendet. Das erspart Stress und senkt Zeit und Kosten. Die Ausgaben für die Kalibrierung haben sich somit schnell gelohnt. Alle sind glücklich.

Neben dem Erfüllen von Auditanforderungen kann die Rückführbarkeit auch für die Qualitätssicherung, die Optimierung der Ressourcenauslastung sowie die Reduzierung des Energieverbrauchs gefordert sein. Den schlussendlich überzeugendsten Grund, die eigenen Messmittel nach aktueller Norm prüfen zu lassen, liefert schließlich das Gefühl von Sicherheit: Die Messgeräte liefern weiterhin die richtigen Werte!

Zertifizierung gemäß der Deutschen Akkreditierungsstelle

Kalibrierabläufe nach DKD-R 3-3

Die Abbildung zeigt wie sich die vier Kalibrierabläufe nach DKD-R 3-3 unterscheiden.

Die höchste und damit aufwendigste Prüfstufe ist das Kalibrierzertifikat der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS). WIKA verfügt bereits seit längerem über eine Zertifizierung für Druck, Temperatur und elektrische Messgrößen (Gleichstromstärke, Gleichspannung und Gleichstromwiderstand). Seit Anfang 2022 ist tecsis nach DIN EN ISO / IEC 17025 für die Messgröße Kraft akkreditiert.

Was eine DAkkS-zertifizierte Kalibrierung von Kraftmessgeräten bedeutet, zeigt das Beispiel von High-End-Kraftaufnehmern, wie sie in Kalibriermaschinen Verwendung finden. Der Prüfablauf folgt in ihrem Fall der Norm EN ISO 376. Dabei werden mindestens acht Messstufen angefahren, mit insgesamt fünf Vorbelastungen, zwei Aufwärtsreihen und zwei Auf-Abwärtsreihen. Zusätzlich werden die Kraftaufnehmer jeweils um 120° gedreht, was drei Einbaustellungen ergibt. Der Aufwand ist mit 65 Messwerten (acht Stufen) entsprechend hoch. Der Preis für eine solche Kalibrierung geht damit einher.

Bei Industriegeräten stellt sich durchaus die Frage, ob sich ein solches Vorgehen rechnet. Alternativ lässt sich die Richtlinie DKD-R 3-3 anwenden. Sie beschreibt vier Prüfabläufe, die je nach Anspruch gewählt werden können. Auch dafür liegt WIKA und tecsis die DAkkS-Zertifizierung vor. 

Eine weitere Möglichkeit einer regelmäßigen Kalibrierung stellt das nicht-normierte 3.1-Prüfzeugnis dar. 

Beispiele aus der Praxis

Ein anschauliches Beispiel für die Sinnhaftigkeit der regelmäßigen Kalibrierung stellt die Überprüfung von hydraulischen Druckkraftaufnehmern dar. Diese Geräte messen die Spannkräfte von Industriemaschinen, wie Stanzen, pneumatische Pressen, Siegelpressen, Spindelpressen, Tablettenpressen und Kniehebelpressen. Die Kalibrierung liefert hier einen Beitrag zur Gewährleistung sicherer Arbeitsbedingungen.

Ein weiteres Beispiel ist die Instrumentierung zur Überprüfung der Anpresskräfte von Schweißzangen. Diese werden im Idealfall kontinuierlich von eingebauten Zug-/Druckkraftaufnehmern überwacht, lassen sich aber ebenso in festgelegten Intervallen mittels eines Prüfsets zur Messung von Elektrodenkräften (Typ FSK01) prüfen. Die Qualität der Schweißpunkte bleibt somit gewährleistet, außerdem verringert sich der Verschleiß der Elektroden.

Für die erwähnten Zug-/Druckkraftaufnehmer lohnt sich ebenfalls eine Kalibrierung, sollten sie für die Überwachung von sehr präzisen Fertigungsschritten eingesetzt sein. Beim Einpressen von Handydisplays zum Beispiel können sich sowohl die Messgeräte als auch deren Kalibrierung schnell rechnen: Fällt ein Fehler in einem solchen Vorgang nicht sofort auf (wenn beispielsweise nur über den Weg geregelt wird), sind innerhalb von Minuten mehrere tausend Euro Sachwert vernichtet.

Justage vor der Kalibrierung kann sinnvoll sein

Je nach Gerät, Applikation und Vorschrift kann es sich lohnen, vor der Kalibrierung eine Justage durchführen zu lassen. Damit stellt der Anwender sicher, dass sein Messgerät die entsprechende Genauigkeit bei der Kalibrierung erreicht. Bei der Kalibrierung selbst hat er die Möglichkeit, deren Art und Ablauf zu wählen, sowohl für Eigen- als auch für Fremdfabrikate.

Hinweis
Auf der WIKA-Webseite erhalten Sie weitergehende Informationen zu den einzelnen Kalibrierservices sowie zu den Kraftmessgeräten von WIKA (Angebote dazu gibt es auch im Online-Shop). Bei Fragen steht Ihnen Ihr Ansprechpartner gerne zur Verfügung.

Lesen Sie auch unseren Beitrag
Kalibrieren oder justieren von Messgeräten – wo liegt der Unterschied?



Kommentar verfassen