Vielleicht ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass ein Pt100 einmal mit Genauigkeitsklasse B oder A angegeben wird. Ein anderer wiederum hat die Klasse F 0,3 oder F 0,15. Dieser Blogbeitrag betrachtet die Angaben für Pt100 in der internationalen Norm IEC 60751 und erklärt den Unterschied der Genauigkeitsklassen.
Eigenschaften eines Pt100
Das korrosionsbeständige Edelmetall Platin weist eine hohe Langzeitstabilität auf. Zudem zeichnet sich ein Pt100 durch eine hohe Reproduzierbarkeit und eine geringe Nichtlinearität aus. Weitere sehr nützliche Eigenschaften sind eine sehr gute Temperaturwechselbeständigkeit sowie hohe Messgenauigkeiten. Der große Temperaturbereich, der mit einem Pt100 realisiert werden kann, macht ihn nicht zuletzt, zu dem am häufigsten verwendeten Messelement in der industriellen Temperaturmesstechnik.
Bedeutung der internationalen Norm IEC 60751
Für die Industrie sind Normen sehr wichtig. Sie stellen sicher, dass Produkte eine gleichbleibende, nachvollziehbare Qualität besitzen. Wird ein Produkt gemäß internationalen Normen hergestellt, können sich alle Marktteilnehmer darauf verlassen, dass die darin beschriebenen Eigenschaften erfüllt werden. So hat ein Pt100 nach IEC 60751 immer die gleichen Widerstandsgrundwerte sowie eine definierte Toleranzkurve. Das ermöglicht dem Anwender z. B. den Austausch eines defekten Thermometers gegen ein neues, ohne den Regelkreis neu einstellen zu müssen. Gleichfalls kann ein Regler problemlos gegen einen anderen ausgetauscht werden, sofern dieser über einen Pt100-Eingang verfügt.
Unterscheidung Messwiderstand und Thermometer
Mit der Revision der DIN EN 60751 im Jahr 2008 wurden neue Genauigkeitsklassen und Messbereiche für Pt100 eingeführt. Dabei unterscheidet die Norm erstmals zwischen Messwiderständen und Widerstandsthermometern. Ein Messwiderstand besteht aus einem Platindraht (drahtgewickelter Messwiderstand) oder einer Platinschicht (Schicht-Messwiderstand) und ist ausgelegt für den Einbau in Widerstandsthermometern. Ein Widerstandsthermometer (c) hingegen, besteht per Definition aus:
- eben diesem Messwiderstand (a oder b), eingebaut in eine Schutzarmatur
- internen Verbindungsdrähten und externen Anschlüssen für die Verbindung mit elektrischen Messgeräten
- Befestigungselementen, Anschlussleitungen (d) oder
Anschlussköpfen, je nach Thermometerausführung.
Entwicklungsgeschichte der Norm DIN EN 60751
Die IEC 60751 kannte ursprünglich nur die Klassen A und B für den Pt100. Sie machte keinen Unterschied zwischen Messwiderstand und Thermometer. Ebenfalls gab es auch keinen Unterschied bei den Messwiderständen zwischen drahtgewickelten und Schicht-Messwiderständen. Angestoßen durch Reklamationen ihrer Kunden haben die Thermometerhersteller (unabhängig voneinander) an Eigen- und Fremdgeräten die Genauigkeit gemessen. Das Ergebnis: Thermometer mit Schicht-Messwiderständen zeigen bei höheren Temperaturen ein anderes Verhalten als in der Norm beschrieben. Dies berücksichtigte der Normenausschuss bei der Revision der DIN EN 60751. Die Genauigkeitsklassen A und B für das Widerstandsthermometer wurden beibehalten. Hinzu kamen die Klassen AA und C. Die Ergänzung trägt dem Wunsch der Kunden nach genaueren Thermometern Rechnung (Klasse AA) und berücksichtigt die größere Ungenauigkeit von Schicht-Messwiderständen bei Temperaturen über 500 °C (Klasse C).
Gründe und Ergebnisse der Revision der Norm IEC 60751
Für die Messwiderstände selbst hat der Normenausschuss konsequenterweise neue Klassen eingeführt. Untersuchungen haben ergeben, dass ein Messwiderstand unter Laborbedingungen ein anderes Verhalten aufweist, als ein Messwiderstand der in einem Thermometer verbaut ist. Dieses Verhalten wirkt sich auf den Gültigkeitsbereich und die Grenzabweichung aus. Somit kann es vorkommen, dass ein Messwiderstand ursprünglich die Klasse A aufweist – das Thermometer in dem er verbaut ist allerdings einen anderen Gültigkeitsbereich hat. Auch die Grenzabweichung kann sich dadurch verändern. Um diesem Umstand gerecht zu werden, wurde eine separate Tabelle für Messwiderstände erstellt. Dabei sind die Unterschiede in den Temperaturbereichen zwischen einem drahtgewickelten Pt100 und einem Pt100 in Dünnschichtausführung (Schicht-Messwiderstand) berücksichtigt. Drahtgewickelte Pt100 finden sich in den Klassen W 0,1 / W 0,15 / W 0,3 / W 0,6 wieder (W für „Wire wound“). Schicht-Messwiderstände entsprechend in den Klassen F 0,1 … F 0,6 (F für „Thin Film“)
Messwiderstände | ||||
---|---|---|---|---|
Drahtgewickelte Messwiderstände | Schicht-Messwiderstände | Grenzabweichung [°C] |
||
Klasse | Gültigkeitsbereich [°C] |
Klasse | Gültigkeitsbereich [°C] |
|
W 0,1 | -100 … + 350 | F 0,1 | 0 … +150 | +/- (0,1 + 0,0017 * t) |
W 0,15 | -100 … +450 | F 0,15 | -30 … +300 | +/- (0,15 + 0,002 * t) |
W 0,3 | -196 … +660 | F 0,3 | -50 … +500 | +/- (0,3 + 0,005 * t) |
W 0,6 | -196 … +660 | F 0,6 | -50 … +600 | +/- (0,6 + 0,01 * t) |
Tabelle 1: Genauigkeitsklassen und Temperaturbereiche für Pt100 – Messwiderstände nach IEC 60751
Thermometer | ||||
---|---|---|---|---|
Drahtgewickelte Messwiderstände | Schicht-Messwiderstände | Grenzabweichung [°C] |
||
Klasse | Gültigkeitsbereich [°C] |
Klasse | Gültigkeitsbereich [°C] |
|
AA | -50 … +250 | AA | 0 … +150 | +/- (0,1 + 0,0017 * t) |
A | -100 … +450 | A | -30 … +300 | +/- (0,15 + 0,002 * t) |
B | -196 … +600 | B | -50 … +500 | +/- (0,3 + 0,005 * t) |
C | -196 … +600 | C | -50 … +600 | +/- (0,6 + 0,01 * t) |
Tabelle 2: Genauigkeitsklassen und Temperaturbereiche für Pt100 – Thermometer nach IEC 60751
Unterschiede zwischen Draht- und Schicht-Messwiderstand
Neben den Temperaturbereichen gibt es weitere Unterschiede in den beiden Pt100-Ausführungen. Der Wichtigste ist dabei die Bauform. Ein drahtgewickelter Messwiderstand ist erheblich größer als ein Pt100 in Dünnschichtausführung. Sehr kurze Einbaulängen wie sie im Maschinenbau oft notwendig sind, lassen sich praktisch nur mit einem Schicht-Messwiderstand realisieren. Die geringere Masse des Schicht-Messwiderstands führt zu einer kürzeren Ansprechzeit des Thermometers. Auch die Vibrationsfestigkeit ist dadurch besser als bei einem Thermometer mit drahtgewickeltem Pt100.
Bedeutung des Messwiderstandstyps
Die Thermometerkennzeichnung nach IEC 60751 sieht keine Angabe zum Typ des Messwiderstands vor. Das ist für den Anwender in der Regel auch ohne Belang, solange die für die Anwendung erforderlichen Spezifikationen eingehalten werden. Aufgrund der unterschiedlichen Vorteile der beiden Typen, kann es im Einzelfall aber durchaus hilfreich sein, den eingebauten Typ zu kennen. So kann z .B. ein Thermometer mit Schicht-Messwiderstand auch da noch eingebaut werden, wo es nur wenige Millimeter in das Medium eintaucht. Während bei einem drahtgewickelten Widerstand – allein durch dessen Länge – ein Messfehler entstehen kann, da das Messelement unter Umständen nicht ganz ins Medium eintauchen kann.
Erfahrungsaustausch
Schicht-Messwiderstände stellen die Standardbauform in WIKA-Thermometern dar, sofern diese nicht durch den Temperaturbereich oder expliziten Kundenwunsch ausgeschlossen werden. Welche Erfahrungen haben Sie mit Widerstandsthermometern? Welche Toleranzangabe bevorzugen Sie und warum? Nutzen Sie gerne die Kommentarfunktion oder schreiben Sie mir.
Hinweis
Weitere Informationen zu Widerstandsthermometern erhalten Sie auf der WIKA-Webseite oder im Video: Wie funktioniert ein Widerstandsthermometer? In unserer Technischen Information „Einsatzgrenzen und Genauigkeiten von Platin-Widerstandsthermometern nach EN 60751“ finden Sie weiterführende Informationen zu Unterschieden zwischen Draht- und Schicht-Messwiderstand.
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