Verschiedentlich tauchen im Zusammenhang mit Rohrfedermanometern Fragen nach der Überlastbarkeit der Geräte auf. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Überschreitungen des Messbereiches im Bereich von bis zu 30 %. Was passiert da mit dem Manometer? Zeigt es danach noch präzise an? Kann es undicht werden? Diese Fragen sollen durch Erläuterung und Diskussion der gängigen Normvorgaben im Nachgang beleuchtet werden.
Vorab: Falls der zu messende Druck den Messbereich des Manometers leicht überschreitet, „explodiert“ es nicht. Diese Gefahr besteht i. d. R. erst bei sehr deutlicher Überschreitung des Messbereiches. Für solche Fälle haben die Messgeräte Sicherheitsfeatures, die die Auswirkungen dieser Gefahr minimieren.
Im Regelfall richten sich Manometerhersteller bezüglich der Sollvorgaben für die Überlastbarkeit nach der Richtlinie 2014/68/EU (Druckgeräterichtlinie) und der EN 837-1: 1996. Druckmessgeräte -Teil 1: Druckmessgeräte mit Rohrfedern. Auf dem Zifferblatt wird dies durch das CE-Zeichen und die Aufschrift EN 837-1 angezeigt. Die in diesen Dokumenten enthaltenen Vorgaben sind unterschiedlich, da es sich bei der EN 837-1 um eine nicht harmonisierte Norm handelt. Beide Dokumente sind unabhängig voneinander und der Hersteller von Rohrfedermanometern ist gehalten, diese zu erfüllen.
Nicht endwertbelastbare und endwertbelastbare Rohrfedermanometer
Vor einer zusammenfassenden Betrachtung der Überlastvorgaben muss noch eine wichtige Einteilung der Manometer aus der EN 837-1 erläutert werden: Die EN 837-1 definiert unter Punkt 9.4 „nicht endwertbelastbare“(1) – und „endwertbelastbare“(2) Manometer. Da dies zu Verwirrungen führen kann, seien die Unterschiede hier kurz erklärt: In der Regel bestehen die Messglieder (Bourdonfeder) der nicht endwertbelastbaren Manometer aus Kupferwerkstoffen. Im Gegensatz dazu bestehen die Messglieder der endwertbelastbaren Rohrfedermanometer aus Edelstahl. Da endwertbelastbare Manometer mit einer Endwertbegrenzungsmarke (schwarzes Dreieck am Skalenende) versehen sind, können die beiden Gerätearten auch von außen unterschieden werden.
Der Hauptunterschied der Geräte ist, dass die „nicht endwertbelastbaren Rohrfedermanometer“ nicht dauerhaft im Bereich oberhalb 75 % des Skalenendwertes (SEW) betrieben werden sollen. Ansonsten kann es bei ruhender Druckbelastung zu irreversiblen Deformationen des Messsystems kommen, die sich z. B. in Form eines Nullpunkt-Offsets bemerkbar machen. Beispiel: Ein nicht endwertbelastbares Rohrfedermanometer, welches den Druck einer 300 bar Gasflasche anzeigen soll, muss so ausgelegt werden, dass der Skalenendwert mindestens bei 400 bar liegt.
Anforderungen an die Überlastbarkeit von Rohrfedermanometern
Die Anforderungen der Richtlinie 2014/68/EU und der Europäischen Norm 837-1 an die Überlastbarkeit von Rohrfedermanometern differieren. In der EN 837-1 sind Anforderungen bezüglich der Anzeigegenauigkeit und der Festigkeit (Dichtheit) nach der Überlastung festgelegt. Speziell die Anforderungen bezüglich der Dichtheit sind mit einer bis zu 2,5-fachen Überlast für mindestens 24 h anspruchsvoll und deutlich höher als bei der Druckprüfung(3) nach Richtlinie 2014/68/EU. Die Druckgeräterichtlinie fordert nur eine 1,43 fache Überlastung des höchstzulässigen Drucks (PS). Wie man aus der tabellarischen Darstellung entnehmen kann, erfüllen Geräte nach EN837-1 somit automatisch die Anforderungen der Druckprüfung(3) nach RL 2014/68/EU. Der Umkehrschluss ist nicht zulässig.
In der nachfolgenden Tabelle sind die unterschiedlichen Anforderungen gegenübergestellt:
Legende
PSEW = Skalenendwert (Druck am Skalenende des Manometers)
PS = „Maximal zulässiger Druck“ – vom Hersteller angegebener höchster Druck, für den das Manometer ausgelegt ist. Bei nicht endwertbelastbaren Manometer: PS = 0,75 * PSEW, ansonsten: PS = PSEW
(a) Abhängig vom Druckbereich
(b) Die Änderung der Klassengenauigkeit wird nach einem zusätzlichen Lastwechseltest (hier nicht näher erläutert) gemessen. Eine Vorgabe über die erlaubte Klassengenauigkeitsänderung nur nach Überlastung (ohne Lastwechseltest) gibt es nicht. Die Tabellenwerte sind somit als absolutes Maximum zu sehen.
(c) Für nicht endwertbelastbare Geräte gilt: Überlast = 1,43 * PS = 1,43 * 0,75 * PSEW = 1,07 * PSEW
Am Beispiel konkret gemacht
Beispiel 1
Manometer 0 – 10 bar, Messglied aus Kupferwerkstoff: Dieses Gerät ist nicht endwertbelastbar und muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Nach EN 837-1: 12 h statische Druckbelastung von 10 bar (PSEW) und 15 min statische Druckbelastung
von 12,5 bar (1,25 * PSEW). Nach einer Ruhezeit von 1 h im Anschluss an diese Überlastung darf die Anzeigeabweichung maximal das 1,2-Fache der Fehlergrenzen nicht überschreiten. Zusätzlich wird das Gerät bei einem Druck von 25 bar (2,5 * PSEW) und einer Außentemperatur von 60 °C für 24 h gelagert. Danach muss es weiterhin dicht gemäß EN 837-1 sein (Leckrate < 5 * 10-3 mbar l s-1). - Nach Richtlinie 2014/68/EU: Das Gerät muss eine Druckfestigkeitsprüfung mit einer Überlast von 10,7 bar
(1,43 * PS = 1,43 * 0,75 * PSEW) überstehen, also nach dem Test noch dicht sein.
Beispiel 2
Manometer 0 – 600 bar, Messglied aus Edelstahl: Dieses Gerät ist endwertbelastbar und muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Nach EN 837-1: 12 h statische Druckbelastung von 780 bar (1,3 * PSEW). Nach einer Ruhezeit von 1 h
im Anschluss an diese Überlastung darf die Anzeigeabweichung maximal das 1,2-Fache
der Fehlergrenzen nicht überschreiten. Zusätzlich wird das Gerät bei einem Druck von 1.500 bar (2,5 * PSEW) und einer Außentemperatur von 60 °C für 24 h gelagert. Danach muss es weiterhin dicht gemäß EN 837-1 sein (Leckrate < 5 * 10-3 mbar l s-1). - Nach Richtlinie 2014/68/EU: Das Gerät muss eine Druckfestigkeitsprüfung mit einer Überlast von 858 bar
(1,43 * PS = 1,43 * PSEW) überstehen, also nach dem Test noch dicht sein.
Fazit
Bei der Auswahl eines Rohrfedermanometers ist die Überlastbarkeit eine wichtige zu beachtende Kenngröße. Abhängig von der konstruktiven Gestaltung des gewählten Gerätes ist die Überlastbarkeit unterschiedlich. Eine geringfügige und kurzzeitige Überlast verkraften Manometer. Die Anzeigegenauigkeit bleibt i. d. R. erhalten bzw. verschlechtert sich nur geringfügig. Eine hohe Überlastung mit bis zum 2,5-fachen SEW äußert sich bei Manometern mit einer zunehmenden Verschlechterung der Anzeigegenauigkeit und einem deutlich sichtbaren Nullpunktfehler. Ein Bersten der drucktragenden Bauteile dagegen erfolgt nicht, das Gerät bleibt dicht.
Hinweis
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Quellen
(1) EN 837-1, Abs. 9.4.1: Druckmessgeräte für eine maximale ruhende Druckbelastung von 75% des Skalenendwertes
(2) EN 837-1, Abs. 9.4.2: Druckmessgeräte für eine maximale ruhende Druckbelastung gleich dem Skalenendwert
(3) RL 2014/68/EU, Anhang 1, Punkt 7.4 Hydrostatischer Prüfdruck.
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Sehr gute Information!!!!!!